Collection Fehrmann

Jules Vernes „Voyages extraordinaires*"

(* Dieser Band ist nicht offizieller Bestandteil der VE) Postum veröffentlicht


Beispielbuch:

Zsolnayverlag

Buch: © Paul Zsolnay Verlag, Wien 1997, ISBN 3-552-0461-8 (deutschsprachige Erstausgabe; CF /6301/).

/1/ The Post Card Bureau Company, 106, Princess Street, Edinburgh ca. 1890, Postkarte 14x9 cm, hier leicht beschnitten; als Beispielbild, ohne direkten Bezug zum Roman; CF /21421/

Reise mit Hindernissen nach England und Schottland (1989)

Geschrieben von Jules Verne im Herbst und Winter 1859 bis 1860 (48 Kapitel). Die Originalausgabe erschien erst 1989 unter dem Titel Voyage à reculons en Angleterre et Écosse bei Le cherche midi éditeur, Paris. Dieses Werk ist in der  Complete Jules Verne Bibliography unter IV., Other Novels Nr. 3 erfasst.

Zwei typische Pariser gehen im Jahr 1859 auf persönliche Entdeckungsreise nach England und Schottland. Die im Buch als Jacques und Jonathan Bezeichneten sind aber keine anderen als Jules Verne selbst mit seinem Freund Hignard. Ähnlich wie später im Roman  Die schwimmende Stadt, verarbeitet er reale Eindrücke und Begebenheiten zu einer mit Phantasie ergänzten Reisegeschichte.

CPA EdinburghIn der Mitte des neunzehnten Jahrhunderts galten England und Schottland immer noch als der Inbegriff der Industrialisierung. Diese paart sich aber mit einer herben Schönheit.

Bild links: /1/

Verne beschreibt die Reise als Verkettung von kleineren Pannen, um so kurzweilig dem fiktiven Leser die Beschreibungen nahe zu bringen. Der Verlag erläutert in seinem Klappentext: „Das Buch ist ein ironisches Panoptikum der landesspezifischen Vorurteile. Auch die beiden Reisenden bleiben nicht ungeschoren: Der für Fremdsprachen völlig unbegabte Jacques tappt von einem Fettnäpfchen ins andere, und der bemittleidenswerte Jonathan ist für einen wagemutigen Abenteurer nicht gerade seefest.“ Der Roman begeht in seiner Darstellung der „neue Spezies Mensch“, nämlich des Touristen, Neuland. (Siehe dazu vertiefend:  Karl Baedeker – Der Vater der Reiseliteratur). Aber der Tourist wird nicht nur einfach beschrieben – mit ironischen Untertönen und komisch in seiner Darstellung wird ihm ein Spiegel vorgehalten.

Veröffentlicht wurde dieser Erstling zu Vernes Zeiten jedoch nie. Der junge Autor hatte zu dieser Zeit noch nicht die Bindung zu seinem ab 1862 gefundenen Verleger Pierre-Jules Hetzel.



/2/ Eugène Muller: Un éditeur – Homme de lettres –– J. Hetzel – P.-J. Stahl, in: Le Livre, Revue du monde littéraire, Archives des écrits de ce temps, Bibliographie rétrospective, Paris, A. Quantin, 7. Jahrgang (1886), S. 137-148. Auf die rechts wiedergegebene Situation wurde ich durch Matthias Kenter aufmerksam gemacht. Er übersetzte das Fundstück und gab es mir mit Schreiben vom 3. November 2024 zur Nachnutzung frei.

/3/ Dieses Bild ist nicht im Zusammenhang mir dem o.g. Zitat zu sehen. Die Quelle ist ein Stich von George Roux: Le cabinet de travail de P.-J. Hetzel, um 1860 (geschätzt), in diversen Ausarbeitungen zu finden, hier von Christian Robin: P.-J. Hetzel - Un Editeur et son siecle, 1988; Bildzitat von Seite 306; CF /5737/



Im Büro bei Pierre-Jules Hetzel

q21292Wie es zu dieser Ablehnung des Verlegers kam, schildert der Zeitzeuge Eugène Muller in seinem Buch Un éditeur – Homme de lettres –– J. Hetzel – P.-J. Stahl. Hier die Wiedergabe der entsprechenden Passage /2/:

„Ein anderes Mal, als ich vor seinem Arbeitszimmer angekommen war, hörte ich durch die nur angelehnte Tür, wie er auf eine wahrscheinlich eher schüchtern vorgebrachte Äußerung eines Besuchers entgegnete: ›Ach, lassen Sie mich doch in Ruhe mit Ihrem England! Glauben Sie vielleicht, Sie hätten England entdeckt? Was für eine ulkige Idee! Ein Junge wie Sie, der Esprit und einen guten Stil hat, der über Wissen und Phantasie verfügt … denn Sie verfügen über all das, das merkt man an dem Manuskript, das aber letztlich nichts zu bedeuten hat, das nichts taugt: Reise nach England. Ich verlange schon ein bisschen was von Ihnen! Legen Sie das da in irgendeine Ecke, oder werfen Sie es gleich in’s Feuer, und denken Sie nicht mehr daran. Kommen Sie dann mit etwas anderem zu mir, nicht mit so etwas. Bis bald! Ja, das hoffe ich, bis bald!‹

Der ›Junge‹ ging, ein Manuskript unter dem Arm, an mir vorbei und sah recht betrübt aus.

Bild rechts: Hetzels Arbeitszimmer um 1860 /3/

Einige Monate später herrschte bei Hetzel große Aufregung, wegen des baldigen Verkaufsstarts des Buches eines Unbekannten, wofür mit riesigen Plakaten geworben werden sollte, und das an alle Zeitungen geschickt werden sollte … ›Ich habe jemanden entdeckt‹, sagte Hetzel zu allen, die zu ihm kamen, ›ja, das können Sie mir glauben, ich habe jemanden entdeckt!‹

Dieser Jemand, dessen Buch Fünf Wochen im Ballon hieß, war der Junge, der England nicht entdeckt hatte; es war Jules Verne.“

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Hinweis: Beschrieben werden nur in meiner Sammlung befindliche Bücher und Verfilmungen. Dargestellte Bücher sind Beispiele daraus.

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© Fehrmann 07/2000, letzte Aktualisierung 12. November 2024