Quellen:
/1/ Alle Fotos außer /2/ sind
Aufnahmen des Autors
/2/ Foto (c) Olaf Urbahn von
Waldeisenbahn Muskau e.V.
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Kurze Einleitung
Schon
bei den ersten Kontakten mit der Steampunk-Szene faszinierte mich
die Kreativität aller Beteiligten. Es begann bei den Gewandungen und
beim typisch
mechanisch orientierten Schmuck – hier waren vor allem die Mädchen und
Frauen
sehr aktiv – und ging weiter über eine Vielzahl von Accessoires,
technischen Ausrüstungen
bis zu Fahrzeugen, gebaut von den unterschiedlichsten Mitstreitern.
Fahrzeuge
hatten es mir besonders angetan. Im Frühjahr 2021 wurde
ich von unserer Gruppe gefragt, ob ich nicht mit meinem technischen
Verständnis
ein schon fahrbereites Seifenkistenauto steampunkmäßig nachrüsten
könnte. Und so
baute ich Spezialleuchten, Armaturen und Zierapplikationen, die dann am
Fahrzeug montiert wurden. Ab
diesem Zeitpunkt stand es für mich fest: Ich muss unbedingt ein
eigenes komplettes Fahrzeug bauen.
Bild rechts: Die Seifenkiste des
Freundeskreises STEAMROSE aus der Lausitz (/1/ und ff)
Fahrzeuge
Dieses Vorhaben sollte in Vorbereitung des
Steampunk-Festivals
Steamrose 2022 umgesetzt werden. Sprachlich modern würde man sagen, wir
wollten ein
Steampunk-Spaßmobil als Upcycling-Project realisieren. Denn es sollte
nur aus
Schrottteilen bestehen: Das Herz war ein Benzinmotor mit 3 PS aus einer
defekten Motorhacke, gesetzt auf ein selbst gebautes Fahrgestell mit
mehreren
Getrieben aus alten Landwirtschaftsmaschinen. Denn die Kraft aus einer
senkrecht stehenden Motorwelle musste über eine Riemenscheibe umgelenkt
werden,
die Rotation wurde drehzahlminimiert um dann über ein Schaltgetriebe
auf die Hinterachse gebracht
zu werden. Das Ganze wurde dann mit diversen Fantasiezutaten zu einem
Spaßgefährt dekoriert. So konnte ich mit meiner Frau mehrere
„Ausfahrten“ auf
Steampunk-Veranstaltungen machen. Das
Gefährt wurde nach der markanten Kühlerfigur in der Verwandtschaft
FROSCH getauft. Das
ist zwar nicht steampunkmäßig, war aber lieb gemeint.
Im
Mai des Jahres 2024, in Vorbereitung des nächsten
Festivals versagte bei einer Probefahrt bei uns zu Hause das
Umlenkgetriebe.
Ein Teil, welches vor vielleicht 50 bis 60 Jahren mal in einem
Landwirtschaftsgerät verbaut war. Technisch war es nicht zu
identifizieren –
das ist eben das Risiko beim Upcycling - das ganze Gefährt war ein
absoluter
Individualbau. Der Defekt war das technische K.O. unseres Fahrzeugs und
so wurde
es von mir rückgebaut.
Bild oben die
Montage des Fahrgestells im Freien - rechts das fertige Fahrzeug FROSCH
1
Meinen
Hilferuf im Freundes- und Bekanntenkreis erhörte
u.a. ein Nachbar, der einen seit acht Jahren defekten
Aufsitzrasenmäher besaß. Da er damals begeisterter Besucher unseres
Festivals
war, schenkte er uns den für ihn unbrauchbaren Mäher. Das Fehlerbild
klang gut:
Irgendwann hatte der Motor einfach den Geist aufgegeben. Da er nicht
von
mechanischem Knirschen, Brechen oder Medienverlusten sprach, schien mir
das
Teil reparierbar. Es stand acht Jahre im Freien, hatte Plattfüße,
Moosansatz
und Rost – aber die Sache schien lohnenswert.
Bilder links und rechts unten :
FROSCH 2 vor dem Einsatz
Nach
etwa einem Monat lief der Motor wieder (Hauptproblem
Vergaser und Benzinleitung), dann begann das „Abspecken“. Dabei kam
umfangreich
meine Flex zum Einsatz. So wie in den70er Jahren die Chopper-Motorräder
entstanden, alles nicht benötigte wurde abgeschnitten (chop =
zerhacken, kürzen
und trennen), z.B. Kotflügel und Verkleidungen – so verlor der
Rasenmäher alle
Verblechungen, das Mähwerk und andere nicht benötigte Teile. Nach dem
Zerschneiden wurden
so aus Teilen der ehemaligen Frontverkleidung u.a. kleine Kotflügel.
Den Rest übernahm ich
mit Anpassungen vom alten Gefährt. Markant sind die neugestalteten
breiten
Trittflächen und die Doppelsitzbank, sowie eine eckige nostalgisch
angehauchte
Motorverkleidung mit Kutscherlampen die durch LED beleuchtet werden.
Wer genau
hinsieht, der erkennt noch Messinggardinenstangen, Uhrenteile, alte
Armaturen
und Motorradschrotteile (alles Spenden aus unserem Umfeld). Viele Teile
sind
ohne Funktion: z.B. der Kühler, der eigentlich von einer Klimatruhe
stammt, oder
alte Anzeigen und Messgeräte.
So
konnten wir im September bei Steamrose 2024 erneut mit
einem Fahrzeug starten. Diesmal mit 11,5 PS, 5 Gängen (die aber bei den
Veranstaltungen
gar nicht benötigt werden) und einem Antriebskonzept, zu dem es im
Ernstfall noch
Ersatzteile geben würde.
Ausrüstungsgegenstände
Bei
Ausrüstungsgegenständen fing ich erst mal bescheiden
an. So entstand mein sogenanntes Dampfradio, was aber rein technisch
gesehen
nur eine alte Hülle mit Fantasieanbauten ist. Im Inneren des „Radios“
ist ein
MP3-Player verbaut. Für die Wiedergabe habe ich Titel alter
Schellackplatten digitalisiert
und mit Hilfe von Software zusätzliche Kratzgeräusche darübergelegt. So
kommt
jetzt aus dem Blechkörper ein ganz eigentümlicher "Musikgenuss". Das
Gehäuse besteht aus einem ausrangierten metallbeschichteten Holzgehäuse
(via Onlinehandel von der
Bundeswehr), welches ich bürstete und lackierte. In ihm verbaute ich
u.a.
Abflusssiebe, montiert auf Heizungsrohre als Schalltrichter für die
Wiedergabe,
ergänzt mit Teilen aus einem alten Heizstrahler und einem Lötkolben.
In
der nächsten Wintersaison kam mir die Idee, eine
fantasievolle Steampunk-Kamera zu bauen. Denn diese kann man gut bei
Fotoarrangements nutzen. Wenn der Aufruf kommt: Stellt euch mal zu
einem
Gruppenbild zusammen, dann sieht das Ergebnis meist ziemlich
einfallslos aus,
wie eben ein Gruppenbild oder Klassenbild. Wenn man aber vor der Gruppe
jemanden mit einer alten
Kamera stellt, dann sieht das davon gemachte Bild aus, als wenn die
Gruppe für
die alte Kamera posiert.
Bild links: Die Kamera im Detail und
rechts unten: Die Kamera im EInsatz beim "Trainspotting" /2/
Ausgangsbasis war ein Stativ
eines Laserpositionsgerätes vom Bau, welches billig bei irgendwelchen
Kleinanzeigen zu haben war. Das musste als erstes auf Alt getrimmt
werden. Also
die Metallteile abbürsten und das gelb lackierte Holz abschleifen und
mit neuer
Farbe versehen. Dann kamen die Anbauten. Das drehbare Kameragehäuse
platzierte
ich auf ein Drehgestell eines Bürosstuhls, dessen Mittelrohr ich
(abnehmbar) in
das Stativ einsetzte. Die Einstelleinrichtungen für die Neigung der
Rückenlehne
und des Hoch- und Runterfahrens des Stuhls, dienten jetzt als Handhabe
um die
Kamera zu Schwenken. Noch zwei Messing-Endstücke einer ausrangierten
Gardinenstange ran, schon konnte man die Kamera bewegen. Auf das
Stuhlgestell
kam eine kaputte Balgenkamera, die noch durch eine weitere Holzkiste
der
Bundeswehr nach hinten vergrößert wurde. In diese kam dann eine
Stromversorgung.
Wozu? Wer genau hinsieht, erkennt unter der alten Kameraoptik in den
Zahnrädern
eine WEB-Cam. Folgende Anbauteile kamen noch ran: Teile einer
Nachttischlampe,
ein Kugelgefäß einer Kaffeemaschine, eine ausrangierte Messeinrichtung,
Stahlschrott (Moniereisen), Reste eines Diaprojektors, Griffe einer
Waschtischarmatur und und und. Alles zusmmen erhielt ein neues Leben.
Objektkunst
Wiederum von Freunden angeregt, entstand die Idee, den
jungen Besuchern von Steampunkaktivitäten ein Spielangebot zu machen.
Daraus
entstand unser ganz spezielles Labyrinth. Aus dem Sperrmüll fand ein
zerbrochener
runder Couchtisch den Weg zu uns. Die Tischplatte montierte ich, für
den
Transport zerlegbar, auf eine starke Spiralfeder, die ich aus dem oben
bei der
Kamera schon verbauten Drehstuhl nutzen konnte. Siehe dazu das Bild rechts. Sie diente im
Originaleinsatz
zum Einfedern des Bürostuhls auf dem Drehgestell. Jetzt war die Feder
dafür
verantwortlich, dass die Tischplatte bei der leichtesten Berührung
seitlich
schaukelt. Und genau dieser Effekt ist es, der zum Spielen gebraucht
wird. Mit Hilfe
einer umlaufenden Handhabe aus Bewehrungsstahl können jetzt ein oder
zwei
Spieler die Tischplatte so bewegen, dass eine Metallkugel, beginnend
von zwei
möglichen, außen am Rand befindlichen Startpunkten, sich den Weg durch
ein Labyrinth
zur Mitte des Tisches suchen muss. Die Metallkugel hat den Effekt, dass
sie schneller rollte als eine Gummi- oder Plastkugel - die
Herausforderung war einfach höher. Im mittigen Ziel verschwindet sie, um dann in
einer Blechkiste
scheppernd anzuzeigen, dass das Spiel beendet ist. Am Rande des
Spielfeldes
kann die Kugel dann aus der Kiste entnommen werden – die nächste Runde
beginnt. Das Spiel war
von Anfang an bei Kindern und auch bei Älteren sehr beliebt.

Zum
Schluss noch zwei Beispiele für Dekorationen. Als
erstes meine Schildkröte „Schildegard“: Sie ist eine verkehrs- und
trittsichere
Echse, besteht sie doch aus dem Stahlboden eines Feuerlöschers - da
kommen die
Huckel her - alten Ringschlüsseln und einer Fahrradklingel.
Mein rechts zu sehender
„Phönix“ ist aus Schrottteilen wieder auferstanden.
Die Restteile des o.g. Feuerlöschers der Schildkröte wurden so zerschnitten, dass sie
nach dem
Verschweißen als Flügelpaar dienen konnten. Der Körper entstand aus dem
geschickt
zugeschnittenen Gehäuse eines Bahnheizkörpers (die früher unter den
Zugsitzen
verbaut wurden), Füßen aus unterschiedlich starken Resten von
Moniereisen, dem
Metallschlauch einer Badearmatur mit einem Stahlinnenleben, einer halben
Gartenschere und einer Rohrschelle. Er scheint sich richtig zu freuen,
dass er zu neuem
Leben erwacht ist.
Vielleicht
kann ich mit meinen Beispielen jemanden anregen, selbst mal wieder
etwas zu basteln? Also ran - und viel Spaß!
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